#466

Craig Foster von „Mein Lehrer, der Krake” über unsere wahre Natur & amphibische Seele

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Fühlst du dich zum Wasser hingezogen?

Manche Menschen fühlen sich von Natur aus zum Wasser hingezogen oder empfinden tiefe Verbindung, wenn sie in der Natur sind. 

 

Es ist, als hätten wir dieses tiefe Wissen in uns, dass wir ein Teil von etwas Größerem als uns selbst sind.

 

Mein neuer Podcast-Gast, Craig Foster, nennt dieses Phänomen „amphibische Seele“.

 

Er wurde vor allem durch seinen Netflix-Dokumentarfilm „Mein Lehrer, der Krake” bekannt, ist Autor des Buches „Amphibious Soul” und Naturfilmer.

 

Craig tauchte zwölf Jahre lang jeden Tag im afrikanischen Seewald. Bei seinen 4300 Tauchgängen begegnete er vielen außergewöhnlichen Lebewesen, die ihm die unglaublichsten Lehrer waren.

 

Ironischerweise lehrten sie ihn nicht nur über sein eigenes Leben, sondern auch, was es bedeutet, ein Mensch zu sein.

 

Im Interview spricht Craig über seine besondere Begegnung mit einem Kraken, den Schlüssel zu unserem körperlichen und spirituellen Wohlbefinden und darüber, was es bedeutet, eine amphibische Seele zu sein.

 

Ich freue mich so sehr, dieses Interview mit dir teilen zu können!

Im Gespräch mit Craig Foster erfährst du, …

  • was er von einem Kraken gelernt hat,
  • warum sich manche Menschen zum Wasser hingezogen fühlen,
  • warum die Natur unsere Mutter ist und was sie uns beibringen kann,
  • wie wir uns wieder mit der ungezähmten Wildnis in uns verbinden können und
  • was die größte Illusion des menschlichen Geistes ist.
  •  

LAURA: Craig, ich bin so froh und dankbar, dass ich heute hier bei dir sein darf. Ich hatte gestern das Vergnügen, mir dein Buch durchzulesen. Darin gab es eine Passage, die mich sehr berührt hat. Als du über deine Großmutter erzählt hast. Du hast deine Großmutter als eine „wilde Frau“ beschrieben, also eine Frau, die sehr mit der Natur verbunden war. Ich fand das toll, weil du geschrieben hast, dass sie dich als Kind immer gefragt hat, welche Abenteuer du erlebt und was du gesehen hast. Das hat mich deshalb so berührt, weil ich finde, dass jedes Kind so aufwachsen sollte. Mit einer Person, die es dazu ermutigt, Abenteuer zu erleben und wild zu sein. Und nicht mit jemandem, der sagt: „Sitz jetzt still.“ Vielleicht reden wir zunächst über deine Großmutter und darüber, was sie dir bedeutet hat, was du von ihr gelernt hast und was sie zu dieser wilden Frau gemacht hat. 

 

CRAIG FOSTER: Wundervoll. Danke, dass du da bist. Ich freue mich auf unser Gespräch. Im Grunde waren es meine Großmutter und meine Urgroßmutter, die meinen Bruder und mich fast jeden Tag in der Kindheit begleitet haben. Sie kamen den weiten Weg von ihrem zu Hause, um bei uns zu sein. Da meine Eltern gearbeitet haben, haben sie auf uns aufgepasst. Ich war also jeden Tag am Meer, erlebte die Gezeiten mit und lernte im frühen Alter zu tauchen. Ich glaube, das Ausschlaggebende war, dass ich wusste, dass ich aus dem Wasser kommen und ihnen von meinen Erlebnissen berichten konnte. Es gab also diesen einzigartigen Kreislauf. Sie waren so aufmerksam und so interessiert daran, was ihnen diese kleinen Kinder damals erzählt haben. Für die meisten Erwachsenen wäre das langweilig gewesen. Sie waren so liebevoll. Ihre Liebe für uns war außergewöhnlich, bedingungslos. Das hat meine Faszination für die Natur befeuert, weil ich… Aber auch für das Geschichtenerzählen. Meine Großmutter ging früher auf große Abenteuerreisen in ganz Afrika. Ihre Geschichten darüber waren für uns damals haarsträubend und furchtbar, weil sie von Nilpferden, Löwen und Nashörnern verfolgt wurde. Ich erinnere mich noch gut an eine davon, als sie einen Baum hochklettern musste, weil ein Spitzmaulnashorn sie fast erwischt hätte.

 

LAURA: Wow! 

 

CRAIG FOSTER: Auch deren Boot wurde mal fast von einem Nashorn umgestoßen und so etwas. Das waren natürlich sehr aufregende Geschichten. Damals gab es diese Tiere in Afrika noch im Überfluss. Das waren also sehr prägende Geschichten, die meine Naturverbundenheit und Abenteuerlust stark beeinflusst haben. 

 

LAURA: Was ist für dich die größte Lektion, die dich deine Großmütter gelehrt haben? 

 

CRAIG FOSTER: Die mit Abstand größte Lektion war die Liebe, die sie uns schenkten. Ich habe versucht, sie an meinen Sohn weiterzugeben. Das ist das allergrößte Geschenk, das man einem Menschen machen kann. 

 

LAURA: Das ist schön. Als ich dein Buch las, fand ich eine Sache sehr interessant. Als du mir den Titel des Buchs, „Amphibious Soul“, verraten hast, war mein erster Gedanke, dass es vor allem über deine Erlebnisse im Ozean mit dem Oktopus handelt, in dem es auch in deinem Dokumentarfilm geht. Das war natürlich das erste, was mir in den Sinn kam. Aber beim Lesen stellte ich fest: „Wow, es geht auch darum, wie wir Menschen unsere ‚amphibische Seele‘ finden.“ Vielleicht kannst du uns etwas darüber erzählen. Was verstehst du unter einer amphibischen Seele? Und wie können wir Menschen uns mit unserer amphibischen Seele verbinden? 

 

CRAIG FOSTER: Gerne, danke. Ich glaube, dass… Ich bin ungefähr die letzten 12 Jahre jeden Tag getaucht. Das sind insgesamt über 4.000 Tauchgänge. Ich bin in dieser Zeit vielen einzigartigen Kreaturen begegnet. Der Oktopus ist nur eine davon. Ich hatte auch faszinierende Begegnungen mit Ottern, Tintenfischen, Seevögeln, Robben, vielen Riesenstachelrochen, riesigen Haien und Walen. Nach einer Weile verwandeln sie sich in diese unglaublichen Lehrmeister. Ironischerweise bringen sie uns etwas über den Menschen und die Menschheit bei. Sie haben mir beigebracht, dass wir ein fester Bestandteil der Natur sind. Aufgrund unseres seltsamen Lebensstils sehen wir das zwar oftmals anders, wir sehen die Natur und wir sehen die Menschen, aber eigentlich sind wir immer miteinander verknüpft. So kam ich nach und nach auf den Gedanken der amphibischen Seele. Ich habe einen Großteil meines Lebens unter Wasser verbracht, ich habe dort nahezu gelebt. Insgesamt viele Tausende Stunden. Aber diese Stunden waren so intensiv, dass ich manchmal den Eindruck habe, ich verbringe mein halbes Leben dort, was aber natürlich viel weniger ist. 

 

Mich fasziniert dieses amphibische Wesen, das sehr viele Menschen haben. Diese starke Anziehungskraft zum Wasser. Ich weiß, dass du es auch hast, du hast mir davon erzählt. Warum ist das so? Warum enthalten zum Beispiel die Felsmalereien der San wundervolle Darstellungen vom Unterwasserleben und von Kreaturen, die halb Mensch halb Fisch sind? Ich persönlich glaube, dass das Teil des kollektiven Unbewussten ist, das tief in unserer evolutionären Vergangenheit verwurzelt ist. Aber das… Wenn man die Begriffe „amphibisch“ und „Seele“ zusammenbringt, steht das für mich für die enorme Freude, die man empfindet, wenn man mit der Natur verbunden ist. Das mag vielleicht nicht immer der Fall sein, doch wenn diese besonderen Momente tatsächlich passieren, fühlt man sich sehr frei und überglücklich. Ich glaube, das lässt sich auf unseren Ursprung zurückführen. Wir haben… Wir haben Jahrmillionen als Hominide in der Wildnis gelebt. Selbst als Homo sapiens, also als Mensch, haben wir 300.000 Jahre lang so gelebt. Wir haben erst im letzten Bruchteil der Evolution angefangen, in Häusern zu leben und Klimaanlagen und Autos zu benutzen. Das ist uns ursprünglich fremd. Würden wir also in unser ursprüngliches Leben zurückkehren, wäre unsere Verbundenheit zur Natur deutlich stärker. 

 

LAURA: Das ist schön. Ich habe mich sehr darin wiedererkannt, als du beschrieben hast, dass du auf der Suche nach deinem eigenen wilden Wesen warst. Und auch in diesem Gefühl, dass wir uns sehr schwertun, uns wieder mit der Natur zu verbinden, weil wir so von unserer Seele abgekoppelt sind. Was hat dir dabei… Würdest du sagen, dass du vollständig zu deinem wilden Wesen zurückgefunden hast? 

 

CRAIG FOSTER: Wie du sagst, manchmal gelingt es mir, aber es ist nach wie vor ein Prozess. Manchmal fällt es mir sehr schwer, mich vollkommen mit der Natur zu verbinden und das Gefühl zu haben, dass ich dahingehöre. Wenn ich zu lange am Computer sitze, stressige Anrufe führe oder Ähnliches, dann spüre ich die Abkoppelung, die ich als sehr irritierend empfinde. Aber ich habe mehrere Wege gefunden, mich wieder intensiv mit ihr zu verbinden. Ich bin inzwischen in der Lage, diese Werkzeuge einzusetzen. Darauf gehe ich ausführlich in dem Buch ein. Das sind Wege, um uns mit diesem wilden Wesen zu verbinden, das in jedem Menschen steckt und das herauskommen möchte, um die älteste Sprache der Welt zu sprechen, wie ich das gerne nenne. Ein großer Teil dieser alten Sprache ist für mich das Spurenlesen. Ich meine damit nicht nur das Lesen von Tierspuren im Sand. Ich meine die Tausende und Abertausende Hinweise in der Natur, die einem Aufschluss geben. Genau das tue all die Jahre über, ich lerne diese Sprache direkt von Wildtieren und von indigenen Meister-Spurenlesern. Ich tue das in der Kalahari, aber ich habe inzwischen auch Freunde hier in Kapstadt, die diese Kunst sehr gut beherrschen und ihre Kenntnisse immer weiter ausbauen. 

 

LAURA: Was hat dich beim Erlernen der Kunst des Spurenlesens am meisten überrascht? 

 

CRAIG FOSTER: Das Überraschende daran war, dass bevor man rausgeht… Nehmen wir ein einfaches Beispiel, denn ich mache es auch unter Wasser. Wenn man einen Spaziergang am Strand macht, an dem es sehr ruhig zu sein scheint. Wenn ich mit meiner jahrelangen Erfahrung diesen Strand entlanggehe, sehe ich lauter einzigartiger Geschichten, die dort geschrieben stehen, in dem Sand und in den kleinen, angeschwemmten Muschelstücken. Außergewöhnliche Geschichten, von denen man kaum glaubt, dass sie dort sind, aber die Beweise sind eindeutig. Man kann diese Hinweise in der Natur miteinander verknüpfen. Ein einfacher Strandspaziergang offenbart einem plötzlich einen faszinierenden Einblick in eine geheime Welt. 

 

LAURA: Geht es also auch darum, sich den Moment bewusst zu machen und die Natur auf sich wirken zu lassen? 

 

CRAIG FOSTER: Das ist ein Aspekt, richtig, aber es geht auch darum, wachsam zu sein. Es geht darum, zu wissen, wonach man Ausschau halten muss, indem man es wiederholt. Man muss es also immer wieder üben, sich Notizen machen, ein Tagebuch führen, solch ein Tagebuch ist auch im Buch. Man muss viele Notizen und Fotos machen und diese faszinierende Sprache immer weiterlernen, die unsere frühen Vorfahren natürlich fließend sprachen. Vor der Erfindung der Landwirtschaft beherrschte jedes Kind in der Wildnis diese Sprache in Perfektion. Beherrschte man sie in der Steinzeit nicht, bedeutete das den sicheren Tod. Sie sicherte das Überleben. Aber man sieht auch, dass sie in vielen indigenen Kulturen ein großes Interesse und eine Faszination weckt, und damit nicht nur zum Überleben dient. 

 

LAURA: Wie können wir unseren Kindern eine Art modernes Spurenlesen beibringen? Denn wenn man in der Stadt lebt, seinem Kind aber trotzdem diese Wachsamkeit und Beobachtungsgabe vermitteln möchte, wo fängt man an, wenn man ein moderner Spurenleser sein möchte? 

 

CRAIG FOSTER: Ja, richtig. Das ist eine sehr gute Frage. In einer Stadt hat man oft nur Asphalt, auf dem man keine offensichtlichen Fährten erkennen kann. Aber es gibt viele Spuren, überall. Man kann also trotzdem das klassische Spurenlesen betreiben. Was man mit einem Kind in der Stadt sehr gut machen kann, ist olfaktorisches Spurenlesen. Man aktiviert den Geruchssinn, den in einer Stadt gibt es viele Gerüche. Die anderen Sinne zu aktivieren ist ein wichtiger Teil des Spurenlesens. Das Gehör spielt beim Spurenlesen ebenfalls eine große Rolle. Der Frühmensch kannte sogar eine ausgeklügelte Vogelsprache, die ihn vor Raubtieren warnte, lange bevor er sie sehen konnte. In vielen Kulturen war der Hörsinn sogar noch wichtiger als der Sehsinn, und manchmal wichtiger als der Hörsinn. Ich meine wichtiger als der Geruchssinn.

 

So kann man ein Kind gut in diese Kunst einführen. Man kann fragen: „Wonach riecht das?“ Die Sinne von Kindern sind noch schärfer und empfindlicher als die von Erwachsenen. In der Regel zumindest. Sie können höhere Töne besser hören. Ihr Geruchssinn ist oftmals besser, obwohl sie die Gerüche womöglich schlechter einordnen können. Es kann also viel Spaß machen, durch die Stadt zu gehen und zu fragen: „Was denkst du, was das ist?“ Noch bevor man sehen kann, was so riecht. Man kann sich fragen, was der jeweilige Geruch darüber aussagt, was in dem jeweiligen Teil der Stadt los ist, oder wie es um die Gesundheit der Stadt bestellt ist. Das kann man endlos oft machen. 

 

LAURA: Ich finde das toll. Ich habe nie darüber nachgedacht, aber das macht absolut Sinn. Auch, weil man sich vor Augen führt, dass das vor Jahrtausenden für alle von uns selbstverständlich war. Mir gefällt diese Passage in deinem Buch, in der du ganz am Anfang schreibst, dass wir davor nie drinnen waren. Weil es kein drinnen gab. Okay, man hatte vielleicht eine Höhle, aber sonst war man die ganze Zeit draußen. Ganz egal, wie das Wetter oder die Bedingungen waren. Man stellt sich vor, wie sehr das uns als Menschen verändert haben muss. Dass wir gar nicht mehr wahrnehmen, was da draußen eigentlich passiert. 

 

CRAIG FOSTER: Dazu kann man noch sagen… Ich bin kein Gegner von Technologie oder anderer Dinge, die zum „zahmen Leben“, wie ich es gerne nenne, gehören. Viele davon sind faszinierend, anregend und können sehr nützlich sein. Ich zum Beispiel nutze meine Kamera oft, um Tiere besser zu verstehen. Ich benutze auch andere Aufzeichnungsgeräte. Ich bin kein Technologiegegner oder so etwas in der Art. Aber das Gleichgewicht ist aus den Fugen geraten. Das sehe ich eher als Problem, dass wir solch ein Ungleichgewicht gegenüber der zahmen Welt geschaffen haben. Das könnte eine Gefahr für unser Überleben darstellen. 

 

LAURA: Du hast viel Zeit mit indigenen Völkern verbracht. Du warst bei Volksstämmen und anderen Communitys. Was können wir von den indigenen Völkern lernen, die meiner Meinung nach genau das Gegenteil von uns tun, weil sie keine Technologien nutzen, sondern im Einklang mit der Natur leben. Was können wir von ihnen lernen, um etwas weiter in die Mitte zu rücken, in der wir zwar Technologien nutzen und in Häusern leben, aber trotzdem einen größeren Anschluss zu der Natur finden? 

 

CRAIG FOSTER: Das erste, was mir dabei in den Sinn kommt, sind die San in der Kalahari, mit denen ich viel Zeit verbracht habe. Sie sind egalitär, weshalb bei ihnen Männer und Frauen denselben Status haben. Allein das macht schon viel aus. Hätten Frauen in unserer Gesellschaft mehr Entscheidungsfreiheit, wäre das viel besser. 

 

LAURA: Kannst du erläutern, inwiefern das anders wäre? Welchen Unterschied würde es für dich im täglichen Leben machen, wenn Männer und Frauen gleichgestellt wären? 

 

CRAIG FOSTER: Man würde sich ebenbürtiger fühlen. Man würde denken, dass es so sein soll, denn so war es ursprünglich auch. Man muss bedenken, dass die San das älteste Volk auf der Erde sind. Es gibt sie seit mindestens 120.000 Jahren. Man könnte sie also als Beweis für eine egalitäre Gesellschaft nehmen. Genau so sollte es sein. Wenn Männer das Sagen haben, sorgt das für viel Unruhe. Das sorgt für viel Spannung, das geht gegen unseren Ursprung. 

 

LAURA: Wie unsere Welt eben ist… 

 

CRAIG FOSTER: Gleichstellung ist sinnvoll. Nicht so zu leben, ergibt keinen Sinn. Das ergibt nun mal Sinn. Noch ein wesentlicher Aspekt ist ihr Respekt vor Tieren. Sie haben einen enormen Respekt vor Tieren, deren Spuren sie lesen, oder die sie jagen. Einen enormen Respekt. Wir haben diesen Respekt verloren, ohne es zu merken. Manche Menschen haben zwar viel Mitgefühl für Tiere, aber sie verstehen nicht, was sie anrichten. In dieser Hinsicht tragen wir alle eine Mitschuld. Viele unserer Technologien wirken sich negativ auf Tiere aus. Das Wichtigste ist aber, dass viele indigene Völker erkennen, dass wir vollkommen abhängig von der Natur sind. Selbst jene Menschen, die kein Interesse an der Natur haben. Die mehr an Geld, Investitionen oder Immobilien interessiert sind. Wir vergessen jedoch, dass solche Dinge nichts mehr wert sind, wenn das Lebenserhaltungssystem dieser Erde zusammenbricht. Dann ist alles Geld der Welt oder andere Dinge absolut wertlos. Wir sind also voll und ganz von der Natur abhängig, bei allem, was wir tun. Doch das haben wir vergessen. Die Einstellung der indigenen Völker kann uns also dabei helfen, uns darauf zu konzentrieren, das Allerwichtigste zu pflegen, das dafür sorgt, dass wir leben, atmen, essen und alles andere tun können. Wir denken zwar, dass wir ohne die Natur leben können, aber das ist wissenschaftlich betrachtet absurd. Sie ist die Grundlage unseres Lebens. Wenn die Biodiversität zerstört wird, was an manchen Orten schon der Fall ist, wird uns das in eine große Not stürzen und all den Wohlstand wertlos machen. 

 

LAURA: Was können wir tun? 

 

CRAIG FOSTER: Ich denke, was wir tun können, ist genau das hier. Das Geschichtenerzählen hat seit jeher unseren Umgang mit der Welt geprägt. Wir handeln nach dem, was wir erzählen und glauben. Wir müssen also die Geschichte darüber, wie wir auf der Erde leben, umschreiben. Das ist der allererste Schritt. Wenn wir die Geschichte ändern können,  dann können wir auch unser Handeln ändern, gegenüber der Wildnis, der Biodiversität, des Lebenserhaltungssystems des Planeten. 

 

LAURA: Der Kern dieser Geschichte ist, dass Mensch und Natur eins, miteinander verbunden, voneinander abhängig sind. Nein, die Natur ist nicht von uns abhängig, sondern wir von ihr. 

 

CRAIG FOSTER: Richtig, das ist das Allerwichtigste. Wir müssen alles tun, was in unserer Macht steht, um die Biodiversität zu erhalten. Das ist die Vielzahl an Tieren, Pflanzen, Mineralien und Bakterien, denen wir unser Leben verdanken. Wir sind buchstäblich daraus gemacht. Sie ist unsere Mutter. Sie ist uns mehr eine Mutter als unsere physische Mutter. Sie ist unsere Mutter. Wir müssen Mutter Natur pflegen.

 

LAURA: Pachamama. Ja, sehr schön. Das war sehr schön. Wie… Ich habe seit meiner Geburt diese tiefe Verbindung zu Tieren. Ich habe immer schon… Das ist nicht böse gemeint, aber ich mochte Tiere immer mehr als Menschen. Ich habe mich mit Tieren immer wohler gefühlt. Ich habe eine stärkere Verbindung zu ihnen. Selbst heute noch fällt mir der Umgang mit Tieren oft leichter als mit Menschen. Ich habe das Gefühl, dass es bei vielen nicht so ist. Wie du gesagt hast, sie respektieren weder Tiere noch die Natur. Sie sehen nicht die Seele oder den Charakter, die jedes Tier hat. Und genau das liebe ich so sehr an „Mein Lehrer, der Krake“. Ich habe die Doku allen empfohlen, die ich kenne, weil ich fand, dass die Geschichte, die du in dem Film erzählst, über diesen Oktopus, der so ein wundervolles Wesen ist… Die meisten haben gar keine… Ich meine, Menschen essen sie, nicht?

CRAIG FOSTER: Ja.

 

LAURA: Vielleicht kannst du uns mehr über deine Geschichte mit dem Oktopus erzählen, weil die Menschen dadurch vielleicht die Seele der Tiere besser verstehen. Ihre Schönheit. Was wir von ihnen lernen können und wie wichtig es ist, sie zu ehren. Du hast uns vor dem Interview die Dokus gezeigt, die Kurzfilme, die zu deinem Buch gehören, mit dem Oktopus, der deine Kamera geklaut und dich damit gefilmt hat. Das war unglaublich. Du hast gesagt, dass das Oktopus-Weibchen dir damit ihre Perspektive zeigen wollte, wie sie dich und die Welt sieht. Vielleicht können wir für ein paar Minuten in diese Welt eintauchen, den Menschen die Welt des Oktopusses näherbringen und ihnen zeigen, wie sie ist und was du von ihr gelernt hast. 

 

CRAIG FOSTER: Natürlich, ich glaube, es gibt solche Menschen wie dich, die auf die Welt kommen und von Anfang an viel Einfühlungsvermögen für Tiere haben. Andere aber nicht. Ich hatte als Kind nicht diese sofortige Verbindung zu Tieren. Ich habe die Natur und das Tauchen geliebt. Aber ich hatte nicht dieses sofortige Verständnis für sie. Ich musste das erst erlernen. Viele Menschen haben ein sehr anstrengendes und hartes Leben. Sie kämpfen ums Überleben. Für sie ist es schwer, ein Mitgefühl für andere Kreaturen zu empfinden, vor allem, wenn sie diese nicht kennen oder sie nicht Teil ihrer Kultur sind. Aber im Grunde hat jeder Mensch diese Fähigkeit. Aber für Menschen, die wirklich arm sind, ist das natürlich besonders schwer. Für sie geht es in erster Linie ums Überleben, danach kommt alles andere. Es ist sehr schwer für sie. Eine Sache hat mich absolut begeistert. 

 

Als ich das Privileg hatte, die Zeit dafür zu haben, das geheime Leben dieser Tiere, täglich zu beobachten, zu dokumentieren und kennenzulernen, stellte ich plötzlich fest, dass alle von ihnen eine einzigartige Persönlichkeit haben. Dass sie alle erstaunliche Dinge tun. Für viele Wildtiere ist allein das Erreichen des Erwachsenenalters schon ein extrem schwieriger Weg. Trotz dieser Räuber-Beute-Beziehung, die in der Natur herrscht, unterstützt diese ökologische Intelligenz alle Tiergemeinschaften. Wenn ich jetzt im Kelpwald tauchen gehe, ist es so, als würde ich meine Familie, meine Verwandtschaft treffen. Ich kenne alle Fische. Man verliebt sich in sie. Ich kenne jeden Kopffüßer dort. Ich lernte auch diesen Otter kennen, der vor einer Weile starb.

 

Man merkt einfach, dass sie nichtmenschliche Persönlichkeiten sind. Es sind außergewöhnliche Kreaturen, die unfassbar intelligent sind und es geschafft haben, das Erwachsenenalter zu erreichen, dank ihrer enormen Fähigkeiten und trotz großer Herausforderungen. Dieses ganze System hält uns Menschen am Leben. Wir sind im Grunde menschliche Tiere. Da sind wir. Wenn man Zeit mit ihnen verbringt und eine Verbindung zu ihnen aufbaut, stellt man automatisch fest, dass die Natur der wertvollste Schatz des Planeten ist. Sie hält alles am Leben. Sie ist die Mutter aller Mütter. Das ist der beste Grund überhaupt, sie zu schützen. Sie ist unsere Grundlage. Aber ich kann natürlich auch verstehen, dass die meisten Menschen nicht das Privileg haben, diesen Tieren so nahe zu sein. Sie müssen überleben, Geld verdienen und ihre Kinder ernähren. Dabei vergisst man sehr schnell, dass dieser natürliche Ursprung in uns ist. Ich selbst bemühe mich sehr darum, die Biodiversität zu erhalten, aber ich tue mich auch schwer damit, weil unser System das nicht unterstützt. Viele von unseren… Wenn man in den Supermarkt geht, ist dort alles in Plastik verpackt. Es ist viel schwieriger, plastikfrei einzukaufen. Es geht also um solche Dinge, um unseren Umgang mit der Umwelt. Aber ich zeige nicht mit dem Finger auf andere Menschen, weil sie genauso gut mit dem Finger auf mich zeigen könnten. 

 

LAURA: Ein guter Freund von mir, Jay Shetty, sagte mal, dass Empathie… Kennst du das Buch „Fünf Sprachen der Liebe“? 

 

CRAIG FOSTER: Nein. 

 

 LAURA: Das ist ein tolles Buch, von einem Psychologen, der sagt, dass wir Menschen verschiedene Wege haben, Liebe zu kommunizieren. Entweder durch Berührungen, durch Worte, indem man gemeinsam Zeit verbringt, durch Hilfsbereitschaft oder durch Anerkennung. Und Empathie heißt nicht, in der eigenen Liebessprache zu kommunizieren, die zum Beispiel Anerkennung sein kann, sondern die Liebessprache des Gegenübers zu lernen, die vielleicht eher Berührungen oder Hilfsbereitschaft ist. Wenn ich deine Sprache lerne und mit dir in deiner Sprache kommuniziere, dann ist das Empathie. Ich finde es schön, diesen Gedanken auch auf das Tierreich zu übertragen.

 

CRAIG FOSTER: Das ist eine gute Idee. 

 

LAURA: Dass wir emphatisch sind, wenn wir ihre Sprache lernen, wenn wir sie in ihrem Umfeld verstehen und auch versuchen zu verstehen, was sie uns vermitteln wollen. Und dass wir einander durch Empathie verstehen und eine Verbindung herstellen. 

 

CRAIG FOSTER: Ich finde diesen Gedanken ganz toll, weil die meisten Tiere ihr eigene „inverse Sprache“ haben. Es ist äußerst beeindruckend und faszinierend, wenn man anfängt, sie zu verstehen. Zu verstehen, was ein Oktopus durch seine Handlungen ausdrücken will, ist sehr interessant. Man kann diese Sprache bis zu einem bestimmten Grad lernen und verstehen, was ein Tier denkt.

 

LAURA: Hattest du an irgendeinem Punkt das Gefühl, mit einem Tier zu kommunizieren, ob mit dem Oktopus oder einem anderen Meerestier? Also dieses Gefühl, dass man ohne Worte miteinander kommuniziert? 

 

CRAIG FOSTER: Was ich erlebt habe, ist, dass wenn ich sehr aufmerksam auf Spurenlese gehe und auf überall auf die Hinweise achte, ich dann das Gefühl habe, intensiv mit der Natur zu kommunizieren. Es ist so, als würde sie mir diese Spuren, Hinweise und Zeichen geben, damit ich dieses Wissen interpretiere und dann passiert eine seltsame Sache, die ich „der Spiegel der Natur“ nenne. Das, was ich in mir fühle, wird auf geheimnisvolle Weise nach außen projiziert. Ich kann das gar nicht mit Worten beschreiben, weil man das nur schwer erklären kann. Aber ich habe das immer wieder erlebt. Zu oft für einen Zufall oder eine Aufmerksamkeitsverzerrung. 

 

LAURA: Hast du ein Beispiel dafür? 

 

CRAIG FOSTER: Ein gutes Beispiel dafür ist, als ich anfing, einen Tintenfisch zu verstehen, den sogenannten Sepia tuberculata. Das ist ein kleiner Tintenfisch, der hier in der Gezeitenzone heimisch ist. Es war sehr schwierig zu verstehen, was dieses Tier gejagt und gefressen hat. Manche Forscher würden dieses Tier nehmen, es töten, aufschneiden und nachsehen, was sich in seinem Magen befindet. Das würde ich niemals tun, weil ich eine Bindung zu dem Tier habe. Aber als ich dieses und viele andere Tiere beobachtete, zeigten sie mir… Ich habe diese Tiere jahrelang weniger aufmerksam beobachtet, aber sobald ich mich auf sie konzentrierte, sah ich plötzlich, wie sie Fische und Wirbellose jagten. Und zwar immer wieder. Ich tat das, was ich immer tue, aber ohne einen bestimmten Fokus. Warum fiel es mir davor nie auf? Das ist mir sehr oft bei verschiedenen Tieren passiert. In dem Buch beschreibe ich, wie wir versucht haben, herauszufinden, wie Oktopusse mit Kelp-Napfschnecken interagierten. Wir fanden zwar die Muscheln in ihren Höhlen, aber die Jagd an sich, bekommt man nur selten zu Gesicht. Eines Tages nahmen wir uns vor, nur darauf zu achten. Das war unser einziges Ziel. Das Wasser war an dem Tag sehr trüb. Ich musste nach dem Seetang greifen und da spürte ich plötzlich einen Oktopusarm an meiner Hand. Ich sah runter und erkannte, dass er eine Napfschnecke jagte. Auf eine Weise, die wir nie vermutet oder für möglich gehalten hätten. Denn er entfernte die Schale. Ich habe solche Dinge immer wieder erlebt. Als gäbe es eine Verbindung zwischen der natürlichen Intelligenz in der Natur und dem menschlichen Verstand. 

 

LAURA: Die gibt es. 

 

CRAIG FOSTER: Das ist schwer zu beschreiben. 

 

LAURA: Es gibt einen physikalischen Begriff dafür im Deutschen, der heißt… Es wurde ein wissenschaftliches Experiment durchgeführt, das sogenannte Doppelspaltexperiment. Mit zwei parallelen Spalten, ich weiß nicht, wie das auf Englisch heißt. Jedenfalls schoss man dabei Photonen, also kleine Atome auf eine Wand. Dann stellte man eine Zwischenwand auf, in der zwei Spalten waren, durch die die Photonen dringen konnten. Je nachdem, ob die Photonen beobachtet wurden oder nicht, also je nachdem, ob eine forschende Person sie beobachtete oder nicht, drangen sie entweder nur durch den einen oder durch beide Spalten durch. Das Bewusstsein brachte die Photonen dazu, sich ganz gezielt zu bewegen. Das ist unglaublich. Genau das hast du gerade gesagt, dass der menschliche Verstand oder das Bewusstsein gewisse Dinge da draußen beeinflussen kann. Ich schicke dir den Link, das ist… 

 

CRAIG FOSTER: Ich habe so etwas Ähnliches gelesen, in der Quantenwissenschaft. 

 

LAURA: Ja, in der Quantenphysik. 

 

CRAIG FOSTER: Quantenphysik, genau. Der menschliche Verstand beeinflusst diese Partikel.  Das ist eine gute Analogie. Aber es fühlt sich so gewaltig, mysteriös und so komplex an. Das übersteigt meine Vorstellungskraft.  Aber es fühlt sich faszinierend an. 

 

LAURA: Ja. Das ist auch unfassbar. Ich glaube, wir verstehen nicht mal annähernd, wie alles miteinander verbunden ist, vor allem auf der Bewusstseinsebene. Das Bewusstsein an sich ist faszinierend, wenn man wirklich darüber nachdenkt. Als du bei dem Oktopus warst und Zeit mit ihm oder ihr verbracht hast, welche Lebenslektion hast du von diesem Oktopus gelernt?

 

CRAIG FOSTER: Oh Gott, das sind so viele Dinge. Ich suche nach einem Beispiel, über das man gut reden kann. Etwa die Art, wie sie sich um ihren Nachwuchs kümmert. Bei den Oktopussen ist das eine enorme Aufopferung. Sie geben ihr Leben für ihren Nachwuchs, sie sterben danach tatsächlich. Wir Menschen hingegen, mergeln unseren Planeten aus und machen ihn quasi zu einer lebenden Hölle für unsere Kinder. Aber sie opfern ihren Körper, ihren Verstand, ihr Wesen, damit ihre Kinder weiterleben können. Sollten wir nicht auch alles daran setzen, um das Lebenserhaltungssystem zu schützen, welches das Leben unserer Kinder radikal verändern wird? 

 

LAURA: Ja, das ist eine gute Metapher, etwas, das wir von ihnen lernen können. Ich würde gerne deine Meinung dazu hören, denn ich glaube, das größte Problem an dem Menschen ist, dass wir nur sehr kurzfristig Denken. Wir sind süchtig nach kurzfristigen Vorteilen. Wir sehen zwar die langfristigen Folgen, aber wir verhalten uns trotzdem nach dem Motto: „Ich will es jetzt.“ Gibt es etwas, dass du von der Natur dazu gelernt hast, wie wir unsere Einstellung verändern können, nicht so versessen darauf zu sein, alles jetzt haben zu wollen, sondern uns wirklich die Folgen vor Augen zu führen, dass die Vorteile, von denen wir jetzt profitieren, sich langfristig sehr negativ auswirken werden? Dazu fällt mir meine Arbeit im kalten Gewässer ein. 

 

CRAIG FOSTER: Ich wollte meine Arbeit dort instinktiv ohne einen Neoprenanzug ausführen. Ich ging als Kind immer so in Wasser und meine Eltern tauchten ebenfalls ohne Neoprenanzüge. Ich wusste, dass es sich gut anfühlt, keinen Neoprenanzug zu tragen. Aber natürlich wird einem dann kalt. Gleichzeitig überlegte ich: „Du wirst lange im Ozean sein, damit könntest du noch länger im Wasser bleiben, was noch besser wäre. Hol dir einfach einen Neoprenanzug, um besser arbeiten zu können.“ Aber ich spürte instinktiv, dass es nicht so ist. Das ist für mich eine gute Metapher. Denn wenn man seinen Körper langsam an die Kälte gewöhnt, stärkt dies das Immunsystem ungemein. Und es verändert das Hormonsystem, weil wir evolutionär dafür gemacht sind, uns oft der Kälte auszusetzen. Der Körper rechnet also damit und wartet auf diese Trigger. Zudem verändert das die Neurochemie, und zwar ziemlich radikal. 

 

Durch den Verzicht auf diesen unmittelbaren Komfort und die Nichterfüllung dieses Bedürfnisses, stärkt man seine Fähigkeit, die Natur bewusster wahrzunehmen, weil der Neoprenanzug kein limitierender Faktor ist. Das Immunsystem wird gestärkt, ebenso wie die Wahrnehmung und Neurochemie. Diese Entscheidung kann letztendlich das Leben verändern. Das ist für mich ein sehr wichtiger Faktor. Das Problem ist nur, dass es in unserer Gesellschaft so viele Dinge gibt, die uns mit dieser sofortigen Befriedigung der Bedürfnisse ködern. Aber die Natur, unsere Vorfahren und unser Ursprung lehren uns, dass wenn wir zumindest ein Gleichgewicht finden und einige Dinge wild tun, so wie wilde Menschen sie tun würden, dass wir uns dann besser fühlen. Das stärkt auch die psychische Gesundheit, aber auch die physische Gesundheit und die Wahrnehmung. Extreme Kälte kann sogar unsere spirituelle Seite fördern. Sie hat also einen großen Effekt auf uns Menschen. Genau das kann die Natur uns lehren, dass wir sehr widerstandsfähig sind, dass unser Körper damit umgehen kann, dass wir keine dicken Jacken brauchen, uns drinnen verstecken müssen und dieses wilde Wesen in uns nicht unterdrücken müssen. 

 

LAURA: Das finde ich toll, danke dafür. Das war die beste Antwort, die ich je auf diese Frage bekommen habe. Danke, das hat mir sehr geholfen. Wie definierst du Spiritualität? 

 

CRAIG FOSTER: Puh, wie viele Stunden hast du? Also… Das ist eine sehr… Ich habe keine fest definierte… Ich folge keiner fest definierten Religion oder so etwas in der Art. Aber mich faszinieren schamanische Kulturen, weil ich mich mit afrikanischen Kulturen intensiv auseinandergesetzt habe. Mich faszinieren auch unsere Vorfahren und Urahnen. Denn ich spüre… Das ist ein Gedanke, den ich von dem Kosmologen, Brian Swimme, aus seinem tollen Buch habe. Er sagt, dass sich unser Bewusstsein aus dem Bewusstsein all unserer Vorfahren zusammensetzt. Es ist nicht unser eigenes Bewusstsein. Es entstand aus dem Bewusstsein unserer Vorfahren, aus ihren Gedanken und all dem. Meine große Leidenschaft ist der menschliche Ursprung. Ich hatte das Glück, mit tollen Wissenschaftlern zu arbeiten, die unsere Spezies, den Homo sapiens, ihr ganzes Leben lang erforscht haben. Aktuell interessieren mich auch Hominide und unsere Urahnen, wie der Homo erectus oder der Neandertaler. Ich finde, dass wir ihr Wesen in uns tragen. 

 

Aber wie wirkt sich das auf mein Verständnis von Spiritualität aus? Blickt man noch weiter zurück, sind unsere Vorfahren Tiere. Viele Eigenschaften, die wir aufweisen, stammen von ihnen. Wenn man weiter zurückblickt, stellt man fest, dass wir aus dem Staub des explodierten Sterns entstanden sind. Wir sind… Unsere Entwicklung begann vor 14 Milliarden Jahren, nach diesem großen Ereignis. Also ist da dieses große… Je intensiver man sich mit Tieren und dem menschlichen Ursprung befasst, desto mehr hat man den Eindruck, dass alles eins ist. Dass es eine große Einheit ist. Es scheint, als wären du und ich zwei verschiedene Wesen, aber eigentlich sind wir ein Wesen, das mit sich und den anderen hier spricht. Genauso wie all die Tiere in dem Kelpwald da drüben. Genau so. Es ist ein fließendes Bewusstsein, das sich in verschiedenen Wesen und Lebensformen wiederfindet. Es ist wie Anstrich, wie verschiedene Farbschichten auf der Oberfläche eines großen Wesens. 

 

LAURA: Das war wunderschön, danke dafür. Ich fand es toll, als du vorhin gesagt hast, dass Tiere nichtmenschliche Persönlichkeiten sind. Das lässt einen besser begreifen, dass Tiere, Pflanzen und der Ozean Persönlichkeiten sind. Nicht in einem menschlichen Körper, aber es ist trotzdem eine Persönlichkeit. Ich finde, wir sollten mehr Geschichten darüber erzählen, damit wir die Persönlichkeit in allem sehen.

 

CRAIG FOSTER: Ja, und selbst die Mollusken… .eine kleine Napfschnecke auf dem Stein, die selbst wie ein Stein aussieht. Viele würden fragen: „Was meinst du?“ Aber wenn man da unten ist und diese kleinen Kreaturen beobachtet, haben sie auch eine Persönlichkeit. Sie führen ein aufregendes Leben. Wenn man wartet, kommen sie nachts raus und tun unfassbare Dinge. Sie haben Gärten, die sie düngen und beschützen. Sie haben unfassbare Kommunikationssysteme. Sie überleben heftige Stürme, und plötzlich hat dieses kleine Ding, das wie ein Stein aussieht, auch noch… 

 

LAURA: Wie ein Buch mit vielen Geschichten. 

 

CRAIG FOSTER: Ja, eine ganze Bücherei. Ja, wow. Und einer von drei Millionen hat es bis zum Erwachsenenalter geschafft. Es wird einem bewusst, wie wertvoll dieses kleine Ding ist. 

 

LAURA: Sehr schön. Eine letzte Frage, die ich allen meinen Gästen stelle: Stell dir vor, du würdest extrem lange leben, und irgendwann würde der letzte Tag deines Lebens kommen. Und so wie das Leben manchmal… Ich wäre auch noch am Leben und würde dir sagen: „Craig, wir sind beide alt!“ Ich würde dir sagen, dass dein Buch gelöscht wurde, dass deine Dokumentationen und alles andere weg sei, okay? Alles wäre weg.

 

CRAIG FOSTER: Das wäre eine Erleichterung. 

 

LAURA: Ja. Ich würde dir ein weißes Blatt Papier und einen Stift geben, und du könntest drei Dinge aufschreiben, die du dir von der Menschheit wünschst. Es wären sozusagen deine letzten Worte, die du sagen oder aufschreiben könntest. Was würdest du aufschreiben? Es können drei Weisheiten, Worte oder was auch immer sein. 

 

CRAIG FOSTER: Das erste, was mir dazu einfällt ist, dass ich sagen würde: „Achtet auf Mutter Natur. Kümmert euch um die Mutter der Mütter.“ Darüber haben wir schon gesprochen, das ist für mich das Wichtigste, um den Fortbestand unserer Spezies zu sichern. Denn die Erde kann viel aushalten und sich davon erholen. Aber wir sind sehr empfindlich. Wenn unsere Spezies also überleben soll, müssen wir alles dafür tun, um unser Lebenserhaltungssystem, also die Biodiversität, zu schützen. Wir sind auf eine große Anzahl von Meeres- und Landtieren angewiesen. Die größte Biodiversität und die meisten Tiere findet man im Ozean. Deswegen konzentriere ich mich auf den Ozean. Unser Planet besteht zu 70 % aus Wasser. In den Ozeanen leben mindestens 90 % aller Tierarten weltweit. Also ist der Ozean ein sehr großer Teil von Mutter Natur. Er reguliert das Klima und alles andere. Daher ist das für mich das Allerwichtigste. Das ist wichtiger als alles andere. Ich brauche keine zwei anderen Botschaften. Erst, wenn wir das hinkriegen, können wir uns um andere Dinge kümmern, wie zum Beispiel die Gleichstellung, gegenseitige Empathie oder Anknüpfung an unsere gewaltfreie Vergangenheit. Aber das ist das Wesentliche. Es ist schwer… Manche sagen: „Die Natur ist mir egal.“ Aber wie gesagt, ohne sie sind Investitionen oder materieller Reichtum nichts wert. Das ist ein Fakt, den wir vergessen haben.

 

LAURA: Danke. Mir ist gerade aufgefallen, dir vermutlich auch schon, aber es kam mir in den Sinn, als wir darüber sprachen, dass das Innere nach außen und das Äußere nach innen projiziert wird. Wenn man sich die Erde anschaut und weiß, dass sie zu 70 % aus Wasser besteht, ist das interessant, denn wir Menschen tun das auch. Wir sind wie die Erde. Wir haben unsere Haut, die wie das Land ist, und wir bestehen zu 70 % aus Wasser, wie der Ozean. – Also sind wir… 

 

CRAIG FOSTER:  Amphibische Seelen. 

 

LAURA: Ja. Craig, das ist dein tolles, verblüffendes Buch, das ich vom ganzen Herzen empfehlen kann, weil es mich sehr berührt hat. 

 

CRAIG FOSTER: Vielen Dank. 

 

LAURA: Ich habe es schon gesagt, dass es mich wirklich tief bewegt hat. Ich habe wirklich… Auch am Anfang, als du beschreibst, wie du dem Krokodil-Weibchen gefolgt bist und in ihrer Höhle warst, es war so schön, das zu lesen. Das hat mich wirklich sehr berührt. Und ich glaube, die Lösung liegt darin, uns wieder auf unsere wilde Seite und auf die Natur zu besinnen, und das Gleichgewicht zu finden. Vielen Dank für dieses Buch. Ich weiß, wie schwer es ist, ein Buch zu schreiben. Vielen Dank also für die Arbeit und Mühe, die du da reingesteckt hast. Es wird sehr bald erscheinen. Vielleicht ist es schon auf dem Markt, wenn der Podcast herauskommt. Vielleicht kannst du noch etwas zu den QR-Codes in dem Buch sagen. 

 

CRAIG FOSTER: Ja, natürlich. Zunächst möchte ich sagen, dass ich dir zustimme, dass es schwer ist, ein Buch zu schreiben. Ich finde es zwar nicht so schwer, wie einen Film zu machen, aber ich habe großes Glück, weil ich ein sehr tolles Team hatte. Unser Sea-Change-Team und meine Frau, Swati, haben mich sehr dabei unterstützt. Ich hatte auch eine wunderbare Agentin, Rachel Newman, und eine fantastische Redakteurin, Sarah Rainone. Sie haben viel Erfahrung, denn das ist mein erstes Buch dieser Art. Ich habe andere Bücher verfasst, Bildbände, aber die Unterstützung dieser Menschen… Zudem kann ich mich glücklich schätzen, mit dem Verlag HarperOne zu arbeiten, weil sie auch sehr hilfsbereit und verständnisvoll sind. Ich habe das Gefühl, dass ich nur ein Teil dieser Leistung bin. Ich empfand es als sehr spannend, darüber nachzudenken, wie es mir gelingt, den Lesenden eine Art immersives Erlebnis zu bieten. Ein Einblick darin, wie es ist, unter Wasser auf Spurenlese zu gehen.

 

Ich finde, dass das Buch diesbezüglich sehr detailliert ist. Das Buch enthält einen digitalen Code, den die Lesenden scannen oder einfach eingeben können. So gelangen sie ganz einfach, und ich bin technisch nicht sehr versiert, auf die Website von Sea Change, auf der sie eine 27-teilige Kurzfilmreihe finden. So kann man einige Highlights aus den jeweiligen Kapiteln, in diesen Kurzfilmen hautnah miterleben. Man kann sich anschauen, wie das Tier genau aussieht, oder kann die wunderbaren indigenen Lehrer kennenlernen, die ich vor 25 Jahren in der Kalahari traf, aber die leider schon verstorben sind. Oder man kann lernen, die Spuren eine Raubkatze zu lesen. Das ist alles andere als einfach. Oder man kann Dinge über die Ursprünge des Menschen lernen, wo man herkommt und wann man angefangen hat, Symbole zu machen, was zu einem großen Wandel führte. Diese Kurzfilmreihe enthält also viele solcher Einzelheiten. Aber sie beziehen sich sehr auf das Buch. Wenn man sich nur die Filme anschaut, versteht man den Zusammenhang nicht. Sie sind also eine tolle Ergänzung zu dem Leseerlebnis. 

 

LAURA: Wundervoll. Vielen Dank auch für deine Mühe bei den Dokumentarfilmen. Ich habe zwei davon schon gesehen und fand sie sehr toll. Dein Buch erscheint am 23. Mai 2024. Gratulation dazu und vielen Dank für das Gespräch und die enorme Arbeit, die du leistest. Gibt es vielleicht etwas, womit meine Community, die Menschen, die den Podcast hören, deine Arbeit oder Sea Change helfen können? Gibt es da etwas?

 

CRAIG FOSTER: Das ist sehr nett von dir. Sea Change Project ist unsere NGO, in der wunderbare Menschen arbeiten. Die meisten von ihnen haben in den ersten fünf Jahren umsonst gearbeitet. Es ist ihre Leidenschaft. Sea Change Project gibt es seit etwa zehn oder elf Jahren. Wir möchten die Aufmerksamkeit auf den großen afrikanischen Kelpwald lenken, ebenso wie auf den Ozean und die Dinge, über die wir heute gesprochen haben. Weil wir glauben, dass die Botschaft und das Geschichtenerzählen, aber auch die Zusammenarbeit mit den Communitys, mit den San, wichtig ist, um diese Botschaft zu senden, weil sie einfach so viel wissen. Wir leisten Vor-Ort-Arbeit, wir studieren die Spezies, wir erforschen 1.001 Spezies im Kelpwald und berichten über sie und unsere Arbeit. Wir arbeiten mit Behörden in Südafrika, aber auch mit internationalen Behörden, um diese Spezies zu schützen. Wenn jemand Sea Change unterstützen möchte, kann die Person unsere Website besuchen, spenden oder das tun, was für die Person möglich ist. Das wäre wirklich großartig. 

 

LAURA: Sehr schön

 

CRAIG FOSTER: Unser Team ist sehr engagiert. Jedes Mitglied in unserem Team ist… Wir müssen niemanden motivieren, weil absolut alle dafür brennen. Man muss sie eher davon abhalten, an sieben Tagen in der Woche zu arbeiten. Wenn das möglich wäre, würden wir uns sehr darüber freuen. 

 

LAURA: Natürlich, wir posten den Link in den Shownotes. Meine Community ist sehr hilfsbereit. Ich bin mir sicher, dass viele deine Arbeit unterstützen werden. Vielen lieben Dank, Craig, das war… Ich fand unser Gespräch wirklich toll. Das war sehr schön. Danke für alles, was du tust. 

 

CRAIG FOSTER: Mich fasziniert, wie du Interviews führst, weil du keine Notizen hast. Es fließt einfach so mühelos. Faszinierend.

 

LAURA: Danke. Vielen Dank. 

 

CRAIG FOSTER: Danke, dass du hier warst, für deine Mühe und dass du das Buch so schnell gelesen hast. Danke. Es war schön, dich kennenzulernen und dein tolles Team.

 

LAURA: Danke.




Übersetzung &  Untertitel: Subtitling Academy

Was konntest du aus der Folge für dich mitnehmen?

Ich hoffe sehr, dass dich die Folge mit Craig Foster inspiriert hat, deine innere Wildnis wiederzuentdecken und deine Verbindung zur Natur und zu Tieren mit neuen Augen zu betrachten.

„In den letzten zwölf Jahren bin ich beim Tauchen vielen unglaublichen Kreaturen begegnet, und sie haben mich gelehrt, dass der Mensch untrennbar mit der Wildnis verbunden ist.“

Laura Malina Seiler

Schreib mir gerne hier unter dem Beitrag oder in die Kommentare bei Instagram @lauramalinaseiler, wie dir dieser Podcastfolge gefallen hat und was du für dich mitnehmen konntest.

Rock On & Namasté

Deine Laura

Hier findest du alle Infos zu Craig Foster:

Hinweis: Die aufgeführten Links werden mit Veröffentlichung der Podcastfolge integriert und können zu einem späteren Zeitpunkt ggf. nicht mehr aktuell sein.

Community

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2 Kommentare
  • Bettina Gepostet unter 10:28h, 11 Juli Antworten

    Ist aber mit Untertitel und es war sehr berührend !

  • Regina Walter Gepostet unter 06:33h, 10 Juli Antworten

    das ist ja schon wieder in Englisch !! 👎👎👎

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